wochenbuch, tagebuch, tagebuchstaben
Meine Woche mit dem "Atem heißt jetzt", mit Helligkeit in der Tragetasche, einer verewigten Schlotte, Weltbeuteln Gedankendächern und einem "zauberhaft" Montagsgedicht. Poetisches Geländer mit tagebuchstaben ist Rose Ausländer.
Dienstag, der 5.11.24 (Schlotten)
Der schüchterne Blauhimmel atmet Wolkenflirre aus. Geht heut die Welt unter? (Weil Trump gewinnt?) Für viele Menschen tut sie das längst. Und für viele Bäume Eichhörnchen und Nashörner und andere Tiere. Also sortiere ich Fragmente aus dem Morgenseitenheft vom 8. August bis 10. Oktober. Finde einen Vers von Odile Kennel. „Tut mir leid Baum/ ich erfinde dir einen Namen“. Finde die Motte Schalotte und denke an meinen Vater. Schlotten, sagt er zu Schalotten. Lange dachte ich Schlotten wäre die richtige Bezeichnung für diesen Riesenschnittlauch. Das Schalotte auch ein Mädchenname ist, hamm wir beide nicht gewusst..
Mittwoch, der 6.11.24 (flirken)
Als hätte ich die Helligkeit von Graubünden in einem unsichtbaren Netz hinter mir hergetragen, sind die Tage weiterhin gelb wie großer Klappertopf, die kleine Waldblume. Amsel flackert hin und her und die Balkonbirke flirkt, wonach weiß ich nicht. Und ich kann nicht raus. Klar könnte ich. Aber ich entscheid mich fürs Arbeiten. Muss ja fertig werden, der Vortrag. Haus der Fantasie und Mutterland Wort. Ja, ich lande, (durch poetische Wegweiserin S.) bei Rose Ausländer.
Donnerstag, der 7.11.24 (Plümmo)
Ich sitze auf einer Bühne, Beine baumeln in den Saal, in dem an die 200 Schüler*innen zuhören und nicht zuhören. Eine Lehrerin am Rand. Ich lese. Jonny Himmelblau. Ich bitte die Schüler*innen, sich mir zuzuwenden. Was sie auch gut erzogen machen. Kurze Zeit später wache ich unter einem dicken Plümmo auf. Auf der Bühne liegend. Saal leer. Ich muss eingeschlafen sein. Was war passiert? Wie lange lag ich da? Erleichtert stelle ich fest, dass ich das nur geträumt habe.
Freitag, der 8.11.24 (Steuer)
Die Steuer liegt schon lange rum. Muss erledigt werden, egal wie viele Verlockungen warten. Egal wie sehr die Welt wankt. Ich halte mich an einem Gedicht fest. „Welt einsammeln/ überall/“, erlaubt Rose Ausländer. Ich also:
Es sind die/ ächzenden Müllfahrzeuge/ piksende Kniebeuge/ die heute/ im Weltbeutel/ läuten .. usw.
Samstag, der 9.11.24 (Gedankendach)
Jahrestag der Reichspogromnacht 1938. Heute sind Jüd*innen in Deutschland wieder bedroht wie seit damals nicht. Politik UND Gesellschaft haben versagt! Muss man mehr sagen? Nein, nur bitte Solidarität und ehrlicher Einsatz wäre schön. Nicht nur heute. „Ich habe keine Heimat“, sagte Sasha Salzmann im Rahmen ihrer Lesung im Kölner Literaturhaus, „das Konzept funktioniert für mich nicht“. Auch Rose Ausländer hatte kein Heimatgefühl, nirgends. Nur im Wort. „Ein Haus aus Phantasie/ Gedankendach/ … Ja, es gibt sie immer noch/ Erbauer immaterieller Wohnungen/…“
Sonntag, der 10.11.24 (Dezember)
Einen besonderen Adventskalender haben wir vorbereitet: das Zine Dezemberkalender, mit einer Geschichte, in 31 Kapiteln von Jessica Lawson, in die Gedichte und Mails von mir eingewoben sind. Fantastisch illustriert von Xiaoyu Feng.
Ihr könnt das gute Stück bereits vorbestellen. Es ist für alle ab 12 gedacht. Von Liebe und Zugehörigkeit und einer guten Portion Poesie. Mit Arabisch-Tropfen, die uns Alya Abdelbaky gespendet hat. Wir spenden zurück: Alle Einnahmen gehen an Transaidency.
Vorbestellbar auf ETSY
Montagsgedicht, 11.11.24 (Freundin)
meine sahar
lehrt mich boxen
und magisch sein
bedanke mich
mit möwenmut
und zauberhaftem
freundinschein
(Sahar سحر Magie (Arabisch))
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