Tagebuchstaben

Hier schreibe ich nahezu täglich ein Notat und veröffentliche mehrere wöchentlich als Blogartikel namens #tagebuchstaben. Biografisch, unsystematisch und poetisch. Vom Arbeiten und Leben als Kinderbuchautorin (of Color) und Dichterin. Am Ende jede tagebuchstaben findest du ein Montagsgedicht. Diese Woche notierte ich aus einer bellenden Welt, mit Schneeflockengewicht, mit Friederike Mayröckers Regenwohnungen und mit Viktor Frankls Warum. Wundersam (plundersam) zupfte sich eine neue Geschichte aus dem Äther.
Dienstag, der 7.1.25
„Eigentlich habe ich nur 1 Innensprache“, so Friederike Mayröcker. Heute Innensprache heißen Regen. Wer weiß schon, ob Tropfen konjugieren? Auf die Politik will ich gar nicht schauen. Da werden neue Synonyme etabliert. Muss Hausaufgaben machen. Les devoirs auf Französisch. Schon als Kind fiel mir auf, dass da kein Haus drin ist. So was denke ich, und schreibe ich am Morgen in meiner Innensprache, wenn ein Herzloser doppelte Staatsbürgerschaften entziehen können will. („Doch nur den Straffälligen“, höre ich meine deutsche Kusine sagen und mich an Reichstagsbrand und In-die-Schuhe-schieben denken. Und wie schnell alles gehen kann, wenn so Gesetz-Gehetz (auf Kusinendeutsch Sitcom für mich Thriller) Wirklichkeit wird. Innensprache. Friederike Mayröcker: Gesammelte Prosa Bd.5
Mittwoch, der 8.1.25 (Regenwohnung)
Was regnet da schon wieder alles vor meinem Fenster? Der Tag ist ein Regenalmanach und manchmal, wie versehentlich, wird geschneit. Schneeschattige Dächer, die in murmelgroßen Tropfen allmählich zu Boden rutschen. „Vermutlich Regenwohnung von Tränen“, schreibt Friederike Mayröcker in „Requiem für Ernst Jandl“, das ich auf Bookbeat höre, während ich schnipple Möhren Kartoffeln Zwiebeln, „nämlich das Huschen der Stille“. Und das Almanachige dieses Regentags breitet sich aus, nämlich in diesem Notat und in etwas, das ich heute für Kinder schreibe, Herr Baran, der Waran, ein Gedicht überarbeite. Mit Wort auf Kurmandschi. Das Regen heißt. Da bellt die Welt.
Donnerstag, der 9.1.25 (Schnee)
Schneeseelchen ist da. Flockig auf Dach Baum Straße. Im Auge. Keine Vögel mehr. Doch da, eine Krähe. Ich bin dankbar für meine warme Wohnung. Ich kann mir Schneefreude leisten. Gehe raus, werde kalt, gehe rein, werde warm.

Freitag, der 10.1.25 (Feder-Bär)
Ich schreibe wieder was. Nur so viel: Ein Feder-Bär am Meer fliegt durch die Geschichte, die sich gerade magisch ergibt. Mit einem Schlüsselwort. Das schon lange in meinem Computer und meinem Kopf und meiner Fantasie wohnt. Das Wort ist wie eine Glocke auf Türkisch in der Geschichte. Die sich skurril seltsam fantastisch entfaltet. Und deshalb eine Gedichtgeschichte wird. Nur die Lyrik erträgt Unlogisches Funkelndes. Auch für Kinder. Ihr kennt ja meine Geschichte: Das schönste Zimmer in meinem Kopf. In der Löwen in Kaugummiautomaten wohnen und fliegende Giraffe Geschichtentöpfe suchen. Alles Poesie.
Samstag, der 11.1.25 (plundersam)
Die Geschichte entwickelt sich so wundersam. So wundersam plundersam Wortmagie. Wortgesicht. Und draußen entwundert sich die Welt, also bellt die Welt, der Merzsche Kampfhund. Unter griesgrauen Wolkenlocken.
Aber was meinte Viktor Frankl in seinem Buch „Dem Leben einen Sinn geben“?
„Wer ein "Warum" hat, kann mit fast jedem "Wie" umgehen!“ Vor 40 Jahren etwa begegnete ich ihm das erste Mal, als junge Studierende, in seinem Buch „Trotzdem zum Leben Ja sagen – Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“. Er hat dort – natürlich- Schlimmstes erfahren müssen. Auch Wunder, seine Schriften, sein Denken, sein Überleben.
Montag, der 13.1.24 (Montagsgedicht)
Herr Baran
der Waran
regnet hin und her
und immer mehr
lacht er mit Fischchen
am Unterwassertischchen
in der Pfütze
unter seiner Mütze
bellt die Welt
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