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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

"Don't be a writer". tagebuchstaben 79

  • Autorenbild: Andrea Karimé
    Andrea Karimé
  • vor 2 Tagen
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 7 Stunden

„Don’t be a writer“. Tagebuchstaben 79

(Minigeschichten und Notate vom Tag, von einer die für Kinder schreibt, geschrieben in Zeiteinheiten, in denen sie nicht für Kinder schreibt. Ein- oder zweiwöchentlich als Blogartikel namens #tagebuchstaben. Mit #kidsbookswritersmoments und einem Montagsgedicht.)

Andrea Karimé sitzt am Fenster des Schreibraum Köln.
Im Schreibraum Köln. Foto: Jutta Degenhardt

Diese #tagebuchstaben aus dem Schreibtunnel, mutiert zum Schreibviech oder Schreibtil, mit Inspirationen von Octavia Butler und Paul Bowles, mit neuen irritierenden Schreibweisen im Schreibraum Köln, mit dem versuch kritisch Erwachsen zu sein, mit Schaumschritten durch die seltsam starrende Welt, mit einem weinenden Protagonisten, "sternfedern" und dem Montagsgedicht „Reimreste“. Am Ende der Woche überraschten mich die Belege einer schönen Veröffentlichung.

Skizze von Irem Kurt. Ein Vogel und ein Bär. Goldene Federn über das Blatt verteilt.
Irem Kurt macht Skizzen zu unserem neuen Buch. Bald kommt das Cover.

Dienstag, der 12.8.25 (Tag)

“The second is to write, every day, whether you like it or not. Screw inspiration.” (Octavia Butler.  Das sage ich mir an Tag 2 der Arbeit am neuen Kinderbuch. Gestern habe ich damit angefangen. Ohne Inspiration. Immerhin: Kapitel 1 stand schon und die Kapitelübersicht für die Lektorin auch. Aber ich muss 10 K Zeichen pro Tag schreiben, damit ich in der geplanten Zeit damit fertig werde. Gestern war so gar nichts inspiriert an meiner Ausarbeitung. Das sind die Tage, die immer wieder dabei sind. Heute gings mir ähnlich, aber beim HNO-Arzt, nach dem Schreiben, habe ich mir ein paar handschriftliche Notizen in ein Buch gemacht. Und irgendwie war da wieder die Skurrilität, die ich so sehr mag. Seltsame Leute, Tiere und Begebenheiten. “Fantasy is totally wide open; all you really have to do is follow the rules you’ve set.”


Mittwoch, der 13.8.25 (Create)

“Every story I create, creates me. I write to create myself”, sagt Octavia Butler. Auf mich trifft das zu. Auch wenn mich vielleicht nicht jede Geschichte „kreiert“, so ist es doch das Schreiben an sich, das mich Vertrauen und Selbstbewusstsein und vieles mehr lehrt. Jeden Tag.


Donnerstag, der 14.8.25 (Schreibtier)

Ich bin ein Schreibtier geworden. Ein Schreibtil etwa, oder ein Ekrivieh. Kein Viel-Falter, sondern Letterling. So wie Arthur, in „Mr. Parnassus und das Heim für magisch Begabte“ (ein wundervoller queerer und zeitgenössischer Fantasy-Roman in zwei Bänden) sich immer wieder mal in einen Phoenix verwandelt, werde ich also Schreibtier. Das Schreibtier hat einen Kopf aus Geschichten, fliegt mit Federn durch Texträume, räumt nie auf, kann nicht lesen, nur Hörbuch hören, vergisst Mails zu beantworten, verschusselt Termine und hat die besten #kidsbookswritersmomente. Der „unlogische“ Nuri wird mir immer sympathischer. Eine verzwickte Situation jagt die nächste. Und alles nur, weil seine Eltern ihn mit Hund und Tante allein lassen. Langsam gewöhnt er sich an den zu lauten Hund, dieser wiederum entdeckt seine „Leisestärke.“

 

Samstag, der 16.8.25 (Schaumschritte)

"Don't be a writer; it's a terrible way to live your life", lese ich bei Paul Auster. Überlege sehr lang, ob und wie ich widerspreche. Unterdessen tippelt in mein Auge ein Tag. Kopf ist leer, nicht schwer. Schmodder im Licht. Nicht Augenlicht. Eher Kopflicht. Wolke in Form eines Huts weht vorbei, möglicherweise für eins der queeren Wesen bei T.J. Klune. So wohltuend, das Ausgedachte, Märchenhafte, Menschenfreundliche. Nach 5 Tagen Schreiben dessen, was ich in Pitch, Exposee und Kapiteln vorgeplant habe, fühle ich mich vollständig ausgelaugt. Nicht, dass ich nicht weiterschreiben könnte, aber ich gehe mit Schaumschritten durch den Alltag, der mir unrealistisch vorkommt. (Don’t be a writer!) Also das, was um das Schreiben herum existiert, kommt mir rätselhaft fremd vor. Merkwürdig, dieser Wäschekorb, denke ich zum Beispiel. Bis ich irgendwann darauf komme, dass er ein Apell ist. Haushalt, Lauge, Wannenbrause.

 

Sonntag, der 17.8.25 (Frühvogel)

Sonne zurück. Sonne satt obwohl hatt gegessen nichts, nur Wolken. Halsbandsittichgeschrei empört. What? Wir rebellieren dadurch, dass wir sind, lese ich bei Alena Jabarine. Sie meint die Palästinenser*innen. Aber dieser Satz trifft auf viele marginalisierten Personen zu, von denen der Mainstream nichts wissen will. Halte dich gesund, dann bist du schon im Widerstand. So ungefähr schreibt es auch Bell Hooks. Frühvogelgelese. Also erst mal Schwimmen gehen und dann weitersehen.



Dienstag, der 19.8.25

Staubsterne blinken weißlich am Fenster. Geöffnet erinnert es an ein aufgeschlagenes Buch neben geschlagener Sahne. Hörbuch: Elstern schnalzen aus dem Off. Diese Woche ist jeder Zeitwinkel gefüllt. Morgens Manuskript, nachmittags Schreibwerkstatt, abends Büro, Mails und Vorbereitungen. So etwas ist nicht gut. Nein, aber manchmal geht es nicht anders. Manchmal bleibt nur der Blick auf Minuten wie jetzt, in denen Buchstabenketten frei schwirren, wachsen und Räume schreiben. Sich setzen, minutenlang. Kidsbookswritersmoment: 10.000 Zeichen


Mittwoch, der 20.8.25 (Bord)

Gestern hab ich, nach vormittags Arbeit am Kinderroman und nachmittags Schreibwerkstatt 3 Stunden, noch bis halb 10 abends Texte abgetippt. (Do not be a writer.) Die Kleinen können bei der Präsentation einfach besser aus Typoskripten lesen. Meistens. Aber wie schon gesagt, diese Woche ist sportlich. Die Schreibwerkstatt ist wieder anders als die anderen beiden. Diesmal sind die Kids sehr kritisch und haben genaueste Vorstellungen wie die Schreibwerkstatt abzulaufen hat. Schreibspiele finden sie doof, sie wollen lieber an eigenen Projekten schreiben. Verrückte Geschichten finden sie doof. Böse soll es sein. Kriminalistisch. Also gut. Ich werfe meine Pläne (kritisch erwachsen) über Board und schaue zu was passiert. Gebe hie und da noch eine Idee rein, und schon entspannt sich die Lage. Roter Faden Ade! Aber wer braucht den schon, wenn solche Gedichte entstehen:  Hä – Gedichtchen von M. 9 //Als ich in den Ferien nach Malta verreise/ Fahre ich durch Hamsterdam aber ohne Damm/ Später fahre ich durch Manhattan / sehe aber keinen Superman/ Wir machen einen Halt in Lesolin/ Ich kann aber nichts lesen//HÄ?

Zine einer Schülerin. Zu sehen ist ein stolzer Elefant, Hintergrund braun und feurig orange-gelb.
6 von 9 Kindern wollen dann doch Zines machen. Die anderen 3 arbeiten zusammen an einer Geschichte über ein Mädchen mit schwerem Schicksal.

 

Donnerstag, der 21.8.25 (Katze)

Weiterschreiben. Den beiden Held*innen begegnen in den heutigen 10.000 Zeichen die Sternfedern. Dann Mittagessen und ab zur Schreibwerkstatt. So eine, by the way, habe ich noch nie erlebt. In 20 Jahren noch nicht, nach 1001 Schreibwerkstatttag nicht. Diese in Köln Mühlheim ist eine permanente Übung in "Kritisches Erwachsensein". Immer haben die Kinder schon Pläne und das, was ich an Schreibideen dabeihabe, muss in der Tasche bleiben. An einem runden Tisch schreiben Zoé, Yung-En, Yung-Huan und Aryahi eine Geschichte mit einem fantastischen Binom. Im Workshopraum bastelt Hannes ein Buch über Happy Birds, Malay schreibt „Kleine Regeln für die Eltern" und Tilda eine Geschichte aus der Perspektive einer Katze. In irgendeinem weiteren Winkel grübeln Hanaa, Elli und Elena über einer märchenhaften Gemeinschaftsgeschichte.

Beim Vorlesen sitzen überall Fokusvögel. Konzentriert und zugewandt sind diese 10 Kinder, geben Rückmeldungen, nehmen Tipps entgegen. Anwesende Sprachen: Hindi, Gujarati, Spanisch, Arabisch und

Englisch.


Samstag, der 23.8.25

Im Kasten die Veröffentlichung meines Artikel in diesem Fachblatt: Fantasiehäuser, Gedankendächer. Danke an Professor Dr. Michael Ritter, Uni Halle.

Buch von der Uni Halle

 

Mein Artikel
Erstveröffentlichung der Gedichte.
Schreiben nach 10/7. Gedichte mit hebräischen oder arabischen Worten. Illustriert von Irem Kurt.

Montagsgedicht 

 

reimreste

kopf sehr leer aber nicht schwer

gedichte verschwunden

auf sieben-hunden reit ich zum immer-meer

nach sieben stunden wort-wal gefunden

(im mund reimreste)



Nächste Woche gibts übrigens 2 Lesungen für Kinder in Köln.

29.8. 16.00 Uhr: „Nuri und der Geschichtenteppich“ - Kinder-Lesung im Bürgerhaus Kalk, Kalk-Mülheimer Str. 58, 51103 Köln

31.8. vormittags "Als der Vogel Kusch das Meer austrinken wollte" Kinderlesung mit Erzähltheater im Rahmen des Lesewelten Spendenlaufs vor der Tombola. Spendenlauf ab 9.30 Uhr. Treffpunkt: Kölner Stadtwald, Friedrich-Schmidt-Straße/ Kitschburger Straße.


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