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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

  • AutorenbildAndrea Karimé

Kreatives Schreiben mit Kindern und vielen Sprachen




Meine neues Kinderbuch „Planetenspatzen“ - für Schule und Schreibwerkstatt – Unterrichtsidee "Mehrsprachig dichten" der Lehrerin und Künstlerin Maria Hächler




(Illustration aus "Planetenspatzen": Raffaela Schöbitz)


Kennt ihr schon mein neues Buch „Planetenspatzen“. Es sind 27 Kindergedichte, die aus den 14 häufigsten Einwander*innensprachen in Deutschland enthalten. Ich habe dabei mit Wörtern aus Arabisch, Türkisch, Kroatisch, Tigrinya, Russisch, Tschechisch, Polnisch, Tashelhit, Ungarisch, Kurmandschi, Romanes, Rumänisch Griechisch und Italienisch experimentiert. Jedes einzelne Wort war kreativer Auslöser für eine mal gereimte, mal nicht gereimte poetische Minigeschichte.

Kaum veröffentlicht, stieß ich auf Instagram auf eine wundervolle Unterrichtseinheit. Die Lehrerin und Künstlerin Maria Hächler hat den poetischen Grundgedanken meiner Gedichte aufgegriffen und den Kindern ihrer Klasse über das Lesen hinaus einen poetischen Freiraum zum „Selberdichten“ verschafft. Herausgekommen sind tolle sprachspielerische Texte die eine Freunde am poetischen Experiment zeigen.




In dem nun folgenden Interview beschreibt Maria ihr Vorgehen zum Nachmachen in der Schule oder in einer Schreibwerkstatt. Sie erzählt von den Reaktionen der Kinder gibt auch Tipps für die, die denken der Sprachenvielfalt nicht gewachsen zu sein oder zu Lyrik keinen Zugang zu haben.





Maria, wie bist du auf die Idee zum mehrsprachigen Dichten mit deiner Klasse gekommen?


Die Idee kam mit dem Buch „Planetenspatzen“. Das Buch, die Gedichte und Wortspielereien laden direkt zum selber spielen und dichten ein. Und wie komme ich an eine reiche Wörtersammlung verschiedener Sprachen wenn nicht zusammen mit den Kinder meiner mehrsprachigen Klasse?
 Ausserdem war ich auf der Suche nach einer Schreibgelegenheit bei der alle Kinder auf ihrem Schreibniveau lustvoll kleinere Texte realisieren können. Diese Art von Gedichten eignet sich dafür besonders gut, weil das Spiel, der Klang und die Lust an der Sprache im Vordergrund stehen. Es ist vieles möglich und fast nichts falsch. 





Welchen Input hast du den Kindern gegeben, außer dem Vorlesen der Gedichte?


Wir haben im ersten Teil im Kreis Wörter verschiedener Sprachen gesammelt. Ich habe die Kinder ermutigt in ihren Sprachen, die sie von Zuhause kennen, nach Wörtern zu suchen, die besonders klingen oder etwas Besonderes bedeuten. 
 Im zweiten Teil sollten sie eines der Wörter auswählen und dazu ein Gedicht erfinden, ähnlich wie die Gedichte aus deinem Buch. 
 Wir haben an zwei Tagen an den Gedichten gearbeitet. Daher habe ich einmal die Gedichte vorgelesen und einmal die Kinder einzelne Gedichte lesen lassen, damit sie sehen, wie Gedichte aufgeschrieben werden können.   





Hast du zuerst gelesen und dann Wörter gesammelt?

Ich habe die Gedichte als Einstieg vorgelesen. Danach haben wir Wörter gesammelt.




Was empfiehlst du Kolleg*innen, die das Gefühl haben der Sprachenvielfalt nicht gewachsen zu sein?


Es geht mir ähnlich: Ich kann nicht viele Fremdsprachen und bin ich nicht in einer mehrsprachigen Familie gross geworden. Die verschiedenen Sprachen im Schultag zu integrieren fällt mir normalerweise nicht leicht. 
 Bei diesem Schreibprojekt war es anders: Es lebt und zelebriert die Sprachvielfalt. Kinder, die aus einem nicht-deutschsprachigen Elternhaus kommen, haben einen grossen Vorsprung im Vergleich zu den anderen aus der Klasse. Die Freude zu sehen, wenn ein Kind seine Sprache im Unterricht wiederfindet und zeigen darf, macht deutlich, wie absolut wichtig solche Sprachanlässe sind. 




Warum sollten Kolleg*innen es ausprobieren? (Sogar wenn sie vielleicht mit Lyrik noch nichts anfangen können?)




Ich bin überzeugt davon, dass beim Schreiben eigener Gedichte in Anlehnung an dein Buch „Planetenspatzen“ nichts schief gehen wird. Das Buch zeigt einen leichten, spielerischen, lustvollen Umgang mit Sprache, der ansteckend ist. 
 Lehrer*innen sollen unbedingt den Mut haben, sich auf das vielleicht noch unbekannte Terrain zu begeben und die Kinder machen lassen. Es ist erstaunlich, wie viel die Kinder aufnehmen und intuitiv wiedergeben können. Wir sollten ihnen diese Freiheit zutrauen und uns überraschen lassen. 





Wie haben die Kinder reagiert? Vor allem Kinder mit anderen Herkunftssprachen sind durch diesen Schreibimpuls aufgeblüht. Kinder, die in anderen Bereichen des Deutschunterrichts ihre Fähigkeiten seltener einbringen können, wurden aktiv und haben angefangen mit Sprache zu spielen, zu dichten und schreiben. Als es um das Vorlesen der eigenen Gedichte ging, waren alle Kinder der Klasse zurückhaltend. Anfangs wollte niemand sein Gedicht vortragen. Doch sobald ein Kind den Anfang gemacht hat, wollten die anderen ebenfalls zeigen, was sie geschrieben haben und präsentierten ganz stolz ihre Gedichte.


Könnte man diese Arbeit mit etwas aus der Bildenden Kunst verbinden? Gewisse Wörter zeichnen gleichzeitig ein Bild. Das Wort „hamsayeh“, das dazugehörige Gedicht und die Illustration zeigen das in deinem Buch wunderbar. Hamsayeh ist Farsi und bedeutet „Nachbar“ oder „mit dem ich meinen Schatten teile“ – wie wundervoll ist diese Wortschöpfung! Die Kinder Wörter (poetisch) zeichnen und später in der Klasse Wort und Bild zuordnen zu lassen, stelle ich mir spannend vor. Auch schön wäre es, wenn die Kinder ihr Gedicht selber illustrieren oder zu ihrem Gedicht ein Bild gestalten. Die Gedichte und Bilder lassen sich auf schlichte Weise sammeln und z.B. in einem getackerten Heft vervielfältigen. So können die Kinder ihr Gedicht in einem kleinen Gedichtband nach Hause nehmen. Sie können so ihren Familien zeigen, was sie und die anderen Kindern erschaffen haben. Ich mag es, wenn die Arbeiten der Kinder aus der Schule ab und zu auf eine besondere Weise präsentiert werden. Ein Heft, eine Art Zeitschrift, ist dafür eine ideale Möglichkeit. Gibt es nur einen schwarz-weiss-Drucker in der Schule? Kein Problem. Stellen Sie die Aufgabe an die Kinder so, dass sie ein Bild in Grautönen, Schwarz und Weiss gestalten sollen.

Was war für dich noch besonders? Ein Mädchen aus der ersten Reihe, das zu Hause Türkisch spricht, hat „üsüntülü“ für die Klasse übersetzt. Als ich das Gedicht vorgetragen habe – und auch später beim Wörtersammeln und schreiben – war sie sichtlich gerührt, ihre Sprache in der Schule anwenden zu können.



Ich habe das Gedicht „Übers kleine Betrübtsein“ vorgelesen. Ein Mädchen aus der ersten Reihe, das zu Hause Türkisch spricht, hat „üsüntülü“ für die Klasse übersetzt. Als ich das Gedicht vorgetragen habe – und auch später beim Wörtersammeln und schreiben – war sie sichtlich gerührt, ihre Sprache in der Schule anwenden zu können. Dass ihre Sprache in der Schule gehört und gesehen wurde, dass ihre Sprache einen wichtigen Platz bekommt und sie ihre Sprachkenntnisse ausserhalb des Deutsch- und Fremdsprachenunterrichts einbringen kann, ist offensichtlich ein besonderes und wichtiges Erlebnis für sie. Allgemein haben mir die Reaktionen und Teilnahme der anderssprachigen Kinder gezeigt, dass ich mehrsprachige Sprachanlässe in Zukunft regelmässig in meinen Unterricht integrieren möchte. Und wie wichtig das ist.





Was machst du sonst so? Du bist Mutter und Künstlerin? Ich bin Mutter von zwei Kindern (4 und 2 Jahre) und Lehrerin in einer 5. Klasse. Auf Instagram sammle ich unter @ma.mi.ria Dinge aus meinem Alltag: Kunst, empfehlenswerte Kinderbücher, Ausflugstipps, kulinarische und kreative Ideen – unter anderem im Bereich der Kunstvermittlung, Gedanken und Beobachtungen. 2021 habe ich zusammen mit der Illustratorin Rahel Sutter von @una__liya einen Geschichtenadventskalender im Eigenvertrieb herausgegeben: Die Stadthauskinder ( @stadthauskinder ). Ich wollte mit den Stadthauskindern ein Haus voller starker, selbstbestimmter Kinder schaffen, die in ihrer Unterschiedlichkeit, mit ihren Ideen und Abenteuer Vorbilder für die nächste Generation sein können. Im Moment arbeiten wir im Hintergrund fleissig am zweiten Teil unseres Adventkalenders. Ausserdem bin ich im Aufbau meiner Website www.mariadimaria.com, die momentan jedoch noch nicht aufgeschaltet ist.


Liebe Maria, das klingt so super!!!! Keep on keeping on! 

Wer noch mehr in diesem Bereich lernen möchte schreibe mir: Ich biete im nächsten Jahr online ein Train-the-Trainers mit Dilltasche an: Kreatives mehrsprachiges Schreiben mit Kindern - Grundlagen, Methoden-Repertoire, Sprachsammlungen, Praxis. Ich nehme Dich in meinen Verteiler! https://andreakarime.de/kontaktPlus.php?

Bild 1,3,4,5,7,8 Maria Hächler mit bestem Dank!



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