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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

Wem gehören die Tauben? Tagebuchstaben 81

  • Autorenbild: Andrea Karimé
    Andrea Karimé
  • vor 6 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

(Minigeschichten und Notate vom Tag, von einer, die für Kinder schreibt, geschrieben in Zeiteinheiten, in denen sie nicht für Kinder schreibt. Ein- oder zweiwöchentlich als Blogartikel namens #tagebuchstaben. Mit #kidsbookswritersmoments und einem Montagsgedicht.)


Exklusiv hier: Ein Sniekpieks vom Feder-Bär. Simone Scharbert, vielen Dank für dein Lektorat. Mit einer Poesiewimper durch den Text.
Exklusiv hier: Ein Sniekpieks vom Feder-Bär. Simone Scharbert, vielen Dank für dein Lektorat. Mit einer Poesiewimper durch den Text.

In diesen #tagebuchstaben von den letzten zwei Wochen piepen meine neuen Kinderbücher, tropft Regenhaar auf mein Blatt, fahre ich mit Alman-Ticket/Algenticket zu Tauben von Lütfiye Güzel, hab ein erfrischendes Fernseh-Interview, sammle ich Lichtblicke, lasse Montagsgedicht traumhaft „düsch-düsch“, sagen und schreibe Kismet-Kinder.


Montag der 8.9.25 (Taube)

Wem gehören die Tauben?, fragt Lütfiye Güzel. Daran denke ich heute Morgen, als ich überraschend ungestört einen Flügelschlag höre. Er hing in der Luft ohne Nebengeräusche. Sagt einfach: Sei kitschig! Bin immer noch nicht fit, wage mich aber an die Überarbeitung meines Romans. An die Figur Meereslöffel, Kismetkind.


Samstag, der 13.9.25

„So viel Regen war in der Zwischenzeit auf mein Kopfhaar getropft“, lese ich bei Zakariya Keskinkilic. In seinem neuen Buch "Hundesohn". So viele Tropfen in meine Gedanken, in der Zwischenzeit, in meine Wörter, denke ich weiter. Und schon ist der Kopf voll Musik. Und ich denke nicht mehr an das, was ich gestern im „Gilda con Arne“- Podcast gehört habe. Es ist aber nicht möglich für mich, nicht an das zu denken, was gerade in Deutschland vor sich geht. Nicht möglich, gleichgültig gegenüber weißem Weg-Gegucke zu sein. Jedes „Ach, ich schau keine Nachrichten mehr!“, oder „Übertreib mal nicht!“ macht mich fertig. Lässt im Stich. Denn ist sind nur weiße unversehrte (christliche) heteronormative Menschen, die sich in einer AFUCKD-Regierung verstecken und einfach weiter machen könnten wie bisher. Was für ein Privileg. Ich bin neidisch. Und jetzt?  "Arabisch ist meine Großelternzunge", schreibt Zakariya. Meine Vatersprache ist Arabisch. Ich spreche sie nicht. Ich schwöre. 


Sonntag, der 14.9.25 (Alman-Ticket)

Immer noch denke ich an die Begegnung mit Lütfiye Güzel letzten Sonntag, ich kenne eigentlich keine radikalere Dichterin, keinen unbestechlicheren Menschen. Sie steckte mir ihr Zine „Wem gehören die Tauben?“ zu und ließ das Wort „Alman-Ticket“ in meinen Kopf tropfen. Alman-Ticket. Wir lachen uns kaputt in Kalk, nach ihrer Lesung auf dem  zauberhaften Köln Elk-Festival, das überhaupt eins der schönsten vielstimmigsten Literaturfestivals in Köln ist.   (Allein dass ich dort so beeindruckende Leute /Kolleg*innen wie Elizaveta Khan  treffen kann, später mehr dazu.) Kaputtlachend also mit Lütfiye Güzel auf dem Weg zur S-Bahn. Wegen dem, was die Auto-Korrektur aber nicht schreiben möchte: Alman-Ticket. Lieber wäre ihr Algenticket, Alm-Ticket oder Almsan-Ticket. Aus Algen-Ticket ließe sich aber auch was machen. (Mit Bezug zum Weltuntergang.) Und ich denke wem gehören die Fliegen?  Ich entwickle eine kleine Gedichtübung für meine nächste Kinder-Schreibwerkstatt in Kalk, in der ich Lütfiye am liebsten immer und immer wieder dabeihätte.

Zu Lütfiyes Büchern, alles im Selfpublishing, alles empfehlenswert. Lütfiye Güzel Erwähntes Buch: Wem gehören die Tauben?

 

Dienstag, der 16.9.25 (Linie)

Schwere Wolkendecke guckt ins Fenster, gefüllt mit Graugrau-Schatten. Elstern und Köln-Papa-Geier verstecken ihre Schreie darin. Kriegen sie nicht zerrupft. Mir geht es gut heute Morgen, obwohl es keinen Grund dafür gibt. Deutschland will wieder Faschismus. Und Onkel März tut so Weinen gegen... Doch: einen Grund gibt’s zum Freuen: Mein Buch wächst. Es piept und raschelt. Es plüscht. Da blaut selbst die Graudecke auf. Wie stabil das Linienblatt unter mir ist. Es bietet sich mir an als Haltestelle.

 

Mittwoch, der 17.9.25 (Moelln)

Schon wieder Halskratzen, Kopfweh und Gliederschmerzen. Flachliegebedürfnisse. Liegts am Film, „Die Moellner Briefe“, den ich gestern gesehen habe? Ich hab geweint im Kino, wegen Deutschland, das eigentlich mein Deutschland ist, das aber eine Riesenhand nach dem Faschismus ausstreckt, wegen der neuen deutschen Herzlosigkeit, wegen der Tapferkeit der Opfer, wegen der Schlimme der Wunden, wegen der Solidarität der Deutschen damals, 1992, als viele Menschen den Opfern Briefe schrieben, Kinder zeichneten für die Opfer. Doch das alles kam nie bei den Familien an. Und auch deshalb hab ich geweint. Und an die vielen gedacht, die gerade wegsehen, verharmlosen, Yoga und Schrebergarten  ….


Bei Hope-TV
Bei Hope-TV

 

Donnerstag, der 18.9.25 (Sammeln)

Wieder mal hilft nur Sammeln von Lichtblicken. Heute: Hope-TV-Interview. Werde herzlich empfangen mit Pizza und Kaffee. Dann krieg ich ein neues Gesicht mit Pinsel, Puder, Salben verpasst. Mit Pyramiden über den Augen gemalt und leichtem Rot darunter gehts zum Wohnwagen. Erstes Interview kurz: Über die Alle-Kinder-Bibel. Zweites Interview lang: Über Poesie, Geschichten und die Bedeutung für Kinder. Anja Wildemann versteht viel von Wort und Wunder, liebt Rose Ausländer, und nicht nur deshalb hatten wir viel Spaß beim Gespräch. „Wie kann ich denn eine Geschichte für meine Tochter erfinden, wenn mir nichts einfällt?“, fragte Anja Wildemann. Wenn du das auch wissen willst und darüber hinaus, wie viele Sprachen die Lüfte in der Alle-Kinder-Bibel verwöhnen (Rose Ausländer) und was Dichter*innen und Kinder gemeinsam haben, schau Hope-Tee-Vau. (Stay tuned.)

Samstag, der 20.9.25 (weltkindertag)

Was soll ich zum Weltkindertag schreiben? Es fällt mir schwer. Deshalb lese ich mir die Rückmeldungen von Simone zu meiner Friedensmaschini durch. Richtig aus e wurde i. Aus Klanggründen. In Klanggründen. Ich feile ein letztes Mal das Klanggedicht durch, das ist das, was ich heute für die Kinder der Welt tu: Ich erfinde "Feder-Bär vom Meer", den Irem Kurt auf einzigartige Weise, leise und behutsam, kräftig und klar ins Bild bringt.

 

Montagsgedicht

traum (für yasemin a.)


es plüschte

ein kleines

Nüschte in

mein Stüft


düsch-düsch   

(düsch = düş = traum (Türkisch)



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