
Diese Woche. Tagebuchstaben 58
Hier schreibe ich nahezu täglich ein Notat und veröffentliche mehrere wöchentlich als Blogartikel namens #tagebuchstaben. Biografisch, unsystematisch und poetisch. Vom Schreiben und Leben. Vom Arbeiten als Kinderbuchautorin (of Color) und Dichterin. Am Ende jeder Woche findest du ein Montagsgedicht. Diese Woche suchte mich eine Geschichte und fand mich (noch) nicht, besuchte mich ein winzig kleines (Montags-) Gedicht im Veilchenröckchen, dachte meine Protagonistin über Wortzimmer nach, kaufte ein sehr reicher Mann die ganze Welt ein und schob Menschen in einem überdimensionalen Einkaufswagen in die Wüste.
Mittwoch, der 5.2.2025
Ein Wort kann ein Zimmer werden, das denke ich für meine Protagonistin, gestern in der beeindruckenden Lesung von Anne Korth und Barbara Peveling über Gewalt im Haus und Schreibräume. Als Anne Korth zu einer ihrer Prosastellen sagte: „… sich woanders hinzuschreiben, an einen anderen Ort.“ Und Barbara liest uns eine schonungslose Liste vor, für wen sie das Buch geschrieben hat. Für Betroffene, für Mittäter*innen für Täter*innen. Vor unseren Augen und Ohren entstehen Bühnenbuchstabenbündnisse, zwei Texte bilden gemeinsam eine große Schwebe- und Denkwohnung umsponnen von Simones gedanklichen Webefingern. (Simone Scharbert hat moderiert.) Ich denke „unteilbar“. Das wäre schön. Als mein Weinglas an Simones Weinglas klopft sagt sie: Zimmer ist ja dein Wort. Das ist absolut dein Wort. Und ich denke, auf Lesreisen denke ich andere Sachen, da geht’s viel um Kinder und Wörter, aber vielleicht doch um Zimmer. Beide Bücher wild empfohlen.
Donnerstag, der 6.2.2025 (Wörter)
„Warum schreibe ich?“, fragt sich Rose Ausländer „Weil Wörter mir diktieren: schreib uns. Sie wollen verbunden sein, Verbündete. Wort mit Wort mit Wort.“ Auch ich schreibe immer weiter. Obwohl schon eine Geschichtenhalde entstanden ist. Ich kann längst nicht alles veröffentlichen, was so entsteht. Warum? Frag mich mal. Und dann ist da noch das: Es war einmal ein reicher Mann, der sein Herz gegen sehr viel Geld getauscht hatte. Mit seinem KI-Herz lebte er sehr gut. Aber er ihm war so schrecklich langweilig. Liebe und Zärtlichkeit dauerten ihn, und deshalb überlegt er sich etwas Neues: Er wollte die ganze Welt kaufen. Geld hatte er ja genug. Deshalb begann er einzelne Länder aufzukaufen und leerzuräumen. Die Menschen und Seelen, die da lebten, schob er auf ein Schiff und verfrachtetet sie in die Wüsten der Welt, die immer größer wurden und deshalb genug Platz boten. Was kümmerte ihn der Schmerz der Seelen. Er bemerkte, dass er mit dem Geld alles machen konnte. Herrlich!
Freitag, der 7.2.25 (Veröffentlichen)
Keine Macht der Welt kann uns unsere Menschlichkeit nehmen, solange wir zusammen stehen, sagt Sarah Vecera, Initiatiatorin der Arbeit an der Alle-Kinder-Bibel 1 und 2 im WDR. Und der WDR bringts auch noch. Endlich mal eine demokratische Stimme. Bleib deinem Wort treu/ es wird dich nicht verlassen/ schreibt Rose Ausländer. Ja ich bleibe meinem Wort treu, doch auch ich merke Widerstand. Schon seit dem 7.10.23 kann ich nicht mehr so veröffentlichen wie ich will… oder wie meine weißen Kolleg*innen.
Samstag, der 8.2.25 (Big Miss Kompro)
Auf einem Schaumschiff naht die Geschichte, auf der Suche nach mir. Durchs Fenster wird sie in eins meiner Zimmer schweben, auf einer Giraffe und sieben Koffern. In einem Koffer ist die Heimat. Im anderen die Sprache/n. In allen: Geschichten. So läuft es mit der Fantasie. Gestern habe ich den Vertrag dafür unterschrieben. Miss Kompro heißt er. Big Miss Kompro. Mit der Sicherheit eines neuen Buchs. Weitere Bücher: sind verschickt.
Sonntag, der 9.2.25
Ich trinke Wolkentee aus Hafermilch und italienischem Kaffee. Sehe Wolken gebröckelt und angehäuft wie Schneereste. Und ich ändere seit Jahrzehnten meine Wahlstrategie. Vor 42 Jahren durfte ich das erste Mal wählen. Seitdem bin ich treueste Wählerin der wiesenfarbenen Partei. Damals war es ein Aufbruch. Mit Yuccapalmen, wehenden Haaren und Gitarren zogen die Wiesenfarbenen in den Bundestag. Wir jungen Erstwähler*innen sangen mit. Dass sich auch RH trotz drängender Probleme wie Rechtsextremismus, Mieten, Gewalt gegen Frauen, Armut und Klimakrise, die „Ausländerfrage“ zum wichtigsten Anliegen Deutschlands gemacht hat, schubst mich aus seinem Wähler*innenzirkel raus.
Montag, der 10.2.25
Ach Gedicht
besuchst du mich
du Veilchen
bleib ein Weilchen
Comments