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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

  • AutorenbildAndrea Karimé

Lesen Schreiben Wörter 2022

Was ich mir vornehme, und was das Lesen damit zu tun hat.

Ich sitze gerade mit meiner Freundin Gala Hummel, Wortkünstlerin und Musikerin, schreibend im Café Goldmund in Köln. Irgendwann im letzten Jahr kamen wir darauf, unsere Blogartikel einfach gemeinsam in einem Co-Working-Space, den wir Blogclub nennen, zu verfassen. Seitdem treffen wir uns regelmäßig in Ehrenfelder Cafés, stellen die Uhr auf 30 Minuten und los geht’s. Während ich diesen Artikel also schreibe, sitze ich neben den tippenden Fingern von Gala, vor uns Getränke, Snacks. Zwischen uns mein Handy, das als Uhr fungiert und als Wecker.



Diese Tradition aufrechtzuerhalten ist erste gute Vorsatz. Heute ist der vierte Tag im neuen Jahr. Das Jahr ist jung und lacht gute Hoffnung. Was Gala jetzt gerade schreibt lest ihr übrigens hier https://galahummel.blogspot.com/




Ein paar weitere winzige Vorsätze habe ich für 2022 gefasst. Nur wenige davon sind neu, denn die meisten Rituale, die ich im letzten Jahr installiert habe, möchte ich fortsetzen, und darin allein besteht schon die Challenge. Zum Beispiel das kurze aber effektive Yoga am Morgen, das mir geholfen hat, meinen Rücken für lange Schreibphasen zu stärken. https://www.schriftsteller-werden.de/schreibtipps/yoga-fuer-schriftsteller/


Oder die Morgenseiten, die ich ja schon über 10 Jahre schreibe, eine Methode, die ich bei der Kreativitätstrainerin und Schriftstellerin Julia Cameron gefunden habe, jeden Morgen nach dem Aufstehen 3 Seiten schreiben, diese aus sich herauszuschreiben ohne lange nachzudenken und ohne zu werten. (Siehe auch https://juliacameronlive.com/ )Dieses Ritual dient mir um mich leerzuschreiben. Freizuschreiben von irgendwelchem inneren Müll, aber auch Planungen Ideen und Pflichten dort festzuhalten. Wenn ich die Morgenseiten geschrieben habe, habe ich manchmal einen Unterrichtsvormittag an der Hochschule Düsseldorf skizziert, oder Einkäufe festgehalten oder einen kleinen Dialog für das aktuelle Projekt. Nach den Morgenseiten kann ich unbeschwert in die kreative Arbeit einsteigen: Das Schreiben oder Dichten für Kinder.



Doch es gibt auch one big deal. Ich will eine große Sache ändern.

Das Lesen. Im Laufe der Zeit habe ich bemerkt, dass ich weniger lese als früher. Stattdessen glotze ich mehr Serien wie die meisten von uns. (Ist es denn die Möglichkeit, eine Schriftstellerin liest weniger?) Was eigentlich vielleicht nicht einmal furchtbar schlimm wäre, wenn ich nicht immerzu das Gefühl hätte, dass mir ein wichtiger Teil verloren gegangen ist. Etwas, das mir Muße, Entspannung und Inspiration zu gleichen Teilen brachte. Etwas, dass ich als Kind geliebt habe und das lange Zeit nicht aus meinem Leben, aus meinen Abenden wegzudenken gewesen wäre.


Lesen konnte ich bevor ich die Schule kam. Meine Mutter erkannte schnell, dass einige wenige, einmal im Monat angeschaffte Bücher nicht ausreichen würden, um mein Lesebedürfnis zu befriedigen und beschaffte mir einen Büchereiausweis. Alle zwei Wochen hielt der Bücherbus für zwei Stunden in Kassel-Waldau, einem Viertel in Kassel, das sozialer Brennpunkt genannt wurde. Ich hielt schon am Mittag nach dem Bus Ausschau. Die Büchereiangestellte begrüßte mich stets mit den Worten: Hallo liebe Andrea, ich habe dir was mitgebracht. Und auf meinen Armen wuchs ein glücklicher Stapel.





In der Regel verließ ich den Bus mit zehn Büchern, mehr erlaubte meine Mutter nicht. Sie befürchtete vielleicht, dass ich den Überblick verlieren würde, Bücher verloren gehen konnten und wir nicht das Geld hatten sie zu ersetzen.

Ich las Tag und Nacht. Und das obwohl ich natürlich nirgends Kinder wie mich, oder Familien wie meine repräsentiert sah. Aber das sagt ja Emilia Roig in ihrem Buch „Why we matter“ so schön:


Das Einfühlungsvermögen von marginalisierten und minorisierten Gruppen wird durch die positive Überrepräsentation von der unsichtbaren Norm - weiß, hetero, cis und nicht behindert- sehr früh gefördert. Umgekehrt ist dies nicht der Fall.
(Emilia Roig: Why we matter, Berlin 2021)

Deshalb hielt mich das Fehlen nicht ab, das war ja das "Normale" und ich war ja sowieso überall das einzige Kind of Colour, sogar in meiner Familie sah ich bis auf meinen Vater nur weiße Menschen. Nichts konnte mich damals vom Lesen abhalten. Meine Schreibtischlampe nahm ich nachts mit unter die Bettdecke, damit niemand etwas merkte. Im Laufe der Zeit wurde die Bettdecke braun, dann schwarz verbrannt durch die Glühlampe. Meine Mutter hat nie etwas gesagt!




Das Lesen war Zauberei, Reise, Trost, Bildung, und Unterhaltung.

Mit diesem begeisterten Mädchen in meinem Inneren, der kleinen Andrea vor 50 Jahren u.a. verbinde ich mich, wenn ich lese. Und deshalb änderte ich mein Abendverhalten wieder. Schauen wir mal im Januar 2023 ob die Liason gehalten hat. Seitdem ich wieder lese – ich gehe wenn möglich früh ins Bett und lese dort - schlafe ich auch wieder besser. Ich habe mir einige gute Bücher wie „Die jüngste Tochter“ von Fatima Daas bereitgelegt. (Jetzt finde ich ja Bücher, die nicht nur weiße Geschichten aus weißer Perspektive erzählen.) Ich bin überrascht wie leicht es geht in die Gewohnheit zurückzuschlüpfen, aber ist vielleicht genauso wie bei Kindern: Wenn das richtige Buch da ist, geht das Lesen leicht.



Zum Abschluss schenke Euch ein Wort für 2022. SALAAMAGIE. Salaam ist arabisch und heißt Frieden. Magie kommt von Maggi und ist ein Gewürz. Friedensgewürz? Nein, Spaß beiseite. Die Zauberkraft des Friedens wünsche ich Euch. (Und die des Lesens.) Möge sie zu Euch kommen, wenn auch nur in der Dosis eines Gewürzes.

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