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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

  • AutorenbildAndrea Karimé

Warum ich seit fast 30 Jahren "Morgenseiten" schreibe und sie gerade jetzt ein Über-Lebens-Mittel sind

Aktualisiert: vor 7 Tagen



Das Morgengrau ist undurchsichtig und wird von Elsternperkussion begleitet. Ich sitze auf meinem Bett und schreibe meine Morgenseiten. Wie ich das seit 30 Jahren beinahe täglich mache. Ich trinke einen Kaffee dabei und schreibe 3 Din-A-4-Seiten voll mit Trash und Nichttrash, lasse es handschriftlich fließen. Der Rotz der Tage landet darin, die Krisen der Welt, meine Krisen, aber eben auch meine Sprache, Ideen, Träume und vieles mehr.


Warum ich das schon seit fast 30 Jahren fast täglich mache und was Morgenseiten sind, erfahrt ihr in diesem Blogartikel


Julia Cameron, Erfinderin der Morgenseiten

Julia Cameron, die Erfinderin der Morgenseiten schreibt: (Deutsch s. Fußnote)

Morning Pages are three pages of longhand, stream of consciousness writing, done first thing in the morning. There is no wrong way to do Morning Pages – they are not high art. They are not even “writing.” They are about anything and everything that crosses your mind – and they are for your eyes only. Morning Pages provoke, clarify, comfort, cajole, prioritize and synchronize the day at hand. Do not over-think Morning Pages: just put three pages of anything on the page and then do three more pages tomorrow.

Die Morgenseiten sind mir unentbehrlich geworden. Fürs Schreiben und Leben, was oft nicht mehr zu trennen ist. In Camerons Buch Der Weg des Künstlers, was ich Euch sehr empfehle, beschreibt sie die Bedeutung der Morgenseiten für die Kreativität ganz genau. Durch das unzensierte Drauflosschreiben und Loslassen von Gedanken- und Gefühlsmist wird das Hirn frei für Kreativität.


Heute schreibe ich in den Morgenseiten über die Morgenseiten und verwende das Material für einen Blog während sich die Meisen und Halsbandsittiche auf meinen Balkon einfinden; sie stört das Spuckesuppenlicht nicht und verwandeln meine Morgenseiten in Zwitscherschrift, und ich denke an Friederike Mayröcker, die große Dichterin, deren „Notizblättchen zwitscherten“ in ihrem Arbeitszimmer.  


Morgenseiten und Tagebuchstaben

Aus den Morgenseiten fische ich mir meistens einen poetischen Extrakt. Nach 7 Tagen veröffentliche ich diesen in meinen #tagebuchstaben auf diesem Blog.


Hier ein Beispiel: tagebuchstaben
Diese Tagebuchstaben sind mein Elixier. Unglaublich welche Kraft sie haben.

Morgenseiten und Arbeitsjournal

In den Morgenseiten treffen sich Alles und Nichts: Entwürfe für Kinderbücher, Blogseiten, krasser Trash und rohe Emotion, aber auch die kleinen poetischen Fundstücke.

So werden diese Seiten auch zum Arbeitsjournal, was nicht Sinn der Sache ist, ich erlaube es mir aber.



Eigentlich solltest du die Seiten wegwerfen, nie wieder lesen und sie erst recht niemandem zeigen. So wirken sie laut Julia Cameron am besten. Das habe ich auch lange Zeit so gemacht.

Ich empfehle dir auch, das so auszuprobieren. Es ein halbes Jahr so zu machen und dann zu schauen, wo du landest damit.

Eine ausführlichere Anleitung für 3 Wochen findest du zum Beispiel bei Carpe Diem. HIER.

Morgenseiten und Innerer Zensor

Meine Writers-Blocks werden regelmäßig von den Morgenseiten aufgefressen, denn oft ist es der Innere Kritiker, der mir das Schreiben mies macht. Die Stimme, die immer was zu kamellen hat, sobald ich den Stift aufs Blatt lege, und nie ist sie sympathisch. „Was schreibste da wieder, dass wird doch nichts!“, ist ein Lieblingssatz des Inneren Kritikers/Zensors.

In den Morgenseiten lass ich ihn sprechen und von mir aus kamellt er dort tagelang.

Aber dann ist beim Schreiben etwa von Kinderbüchern meistens Ruhe.

Eine andere Sache die das Schreiben stört ist eine Dauerrauschen von Gedanken, Pflichten, Dinge, die wir nicht vergessen wollen usw. Das alles landet in den Morgenseiten. Und deshalb wirken sie so wunderbar reinigend.


Morgenseiten und (meine) Weltkrisen

Aber die Morgenseiten helfen mir mittlerweile auch durch die furchtbaren Zeiten, die von Unmenschlichkeit, Krieg, Hass und Polarisierung gezeichnet sind. Geben mir die Kraft zum Weitermachen. (Ich hab in meinem Jahresrückblick viel über meine Struggles etwa nach dem 7.10. geschrieben. MEIN JAHRESRÜCKBLOG)

Ich schreibe mir eine Basis, um den Tag in all dem Schrecklichen zu meistern. Ich schreibe mir eine Schriftboden, auf dem ich weiterarbeiten kann, trotz fehlender Hoffnung. Und das ist die Hoffnung. Nur das. Ich schreibe meine Gegenwart aus Zukunftsfragen raus und bereite der Gegenwart so einen Platz und damit auch der Zukunft.  

Um es mit Sasha Mariana Salzmann zu sagen: „Die Frage nach der Zukunft … ist nutzlos. Um sich nicht die eigentliche Frage zu stellen, nämlich was wir mit dieser Gegenwart machen.“ (Sasha Mariana Salzmann, Ofer Waldmann "Gleichzeit")


Und genau das landet in meinen Morgenseiten und wird aus ihnen wieder rausgehaucht. Die Wörter, der Atem, das Leben, das Schreiben. Die Gegenwart. Und deshalb mach ich das seit fast 30 Jahren fast jeden Tag.


Stellt Eure Fragen gern in den Kommentaren.

 

Fußnote *Morning Pages sind drei Seiten, auf denen ich aus dem Stegreif schreibe, die als erstes am Morgen geschrieben werden. Es gibt keinen falschen Weg, Morning Pages zu schreiben. Sie sind keine

hohe Kunst. Sie sind nicht einmal "Schreiben". Sie handeln von allem, was dir durch den Kopf geht - und sie sind nur für deine Augen nur für dich. Morning Pages provozieren, klären, trösten, beschwichtigen, setzen Prioritäten und  synchronisieren den anstehenden Tag. Denken Sie nicht zu viel über Morning Pages nach: Schreiben Sie einfach! Drei Seiten von irgendetwas auf die Seite... und dann machen Sie morgen drei weitere Seiten. (julia cameron übersetzt mit hilfe von deepl.)

 

 

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