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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

Taubengurr in Weh-Dur. Tagebuchstaben 61

Autorenbild: Andrea KariméAndrea Karimé

Neue Tagebuchstaben

(Ich schreibe nahezu täglich ein Notat und veröffentliche mehrere wöchentlich als Blogartikel namens #tagebuchstaben. Biografisch, unsystematisch und poetisch. Vom Schreiben und Leben. Als Kinderbuchautorin (of Color) und Dichterin. Am Ende jeder Woche findest du ein Montagsgedicht.)

Diese Woche mit auch nach der Wahl noch verlässlichem Vogelfon, von der Kraft der Poesie, mit vielen Fragen, einer eisig summenden Mücke, die immer näher kommt und dem Montagsgedicht.

Eine Frau vor einem grünen Hintergrund.
Poesie macht dich möglich, sagt Audre Lorde und so heißt mein nächster Newsletter.

Dienstag, der 25. Februar 2025 (Gift)

„Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun und nach einiger Zeit ist die Wirkung dann doch da.“ Viktor Klemperer. Eine Mücke bewegt sich auf meinen geschlossenen Mund zu und summt eisig und laut. Zumindest wars im Traum so, denn es ist noch kein Sommer. Da schraubt doch jemand an meinem Bewusstsein herum, oder nicht? Heute ist immer noch nach der Wahl.


Donnerstag, der 27.2.2025 (Wahl)

Es ist der vierte Tag nach der Wahl in einem veränderten Deutschland. Schlaf schlecht, Mood schlecht. Nicht, dass ich das Ergebnis nicht erwartet hätte. Nein ich bin nicht überrascht. Aber das ist, wie wenn jemand stirbt, den du begleitet hast. Der Tod wird erwartet, überrascht nicht, ist tut aber dennoch höllisch weh. Es wird sich auch zeigen, ob ich in diesem Land weiter Kinderbuchautorin sein kein, die nie etwas anderes gemacht hat, als arabisch-deutsche und postmigrantische Kindheit zu erzählen. In ein anderes Land gehen? In welches denn? Der Karneval in Köln explodiert gerade, aber noch kann ich nicht lachen.

 

Freitag, der 28.2.25 (Wolkenmood)

Manchmal möchte ich nicht aus dem Haus gehen. In meiner Wöhle bleiben. So ein Tag ist heute, noch im Wolkenmood des Schlafs, der Himmel ist schmutzige Schlagsahne und ich dachte an die Eier, die ich immer nur bei meiner Großmutter gegessen habe. In der winzigen Küche bereiteten sie meine Mutter oder meine Tante, das Gelb der gekochten Eier in einem Schüsselchen mit Mayonnaise und anderem verrührt und dann in die Eihälften zurückgespritzt. Warum zum Teufel konnten wir nicht 100 Stück davon machen und warum war das ungesund mehrere davon zu essen, dachte ich als Kind, Geschmack wie pikantes Marzipan im Mund.

 

Samstag, der 1.3.25 (Weh-Dur)

Geh zum Wind, himmlisches Kind, denke ich, noch immer gurren die Tauben in etwa Weh-Dur, immer noch diese atemberaubende Mehrstimmigkeit im Gezwitscher der Spatzen. Krähenstörungen, Sonnenlicht rieseling, Papageigen, keifende. Den eigentlichen Text findet ihr heute zwischen den Zeilen. Er beginnt mit dem Wort gestern, während ich meinen Newsletter 5 namens "Poesie macht dich möglich" schreibe, den ich nach Karnaval verschicke. Das ist ein Zitat von Audre Lorde. Darin erwarten dich ein Leuchtkind, die jetzt gerade besonders wichtige Kraft der Poesie, ein Wortgeschenktier und ein Kinder-Gedicht mit einem Wort, das dich nicht sticht. Mit Audre Lorde. Außerdem alle Termine und Orte meiner Ferienschreibwerkstätten 2025 in NRW. Jetzt noch schnell auf andreakarime.de abonnieren.


Montagsgedicht


In meiner Schultasche

wohnt ein Sonnenstrahl

wenn ich will kommt er raus

funkelt in meine Gedanken

Applaus


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