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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

AutorenbildAndrea Karimé

Brotjob und Kinderliteratur


Eine Kinderbuchautor*in in Deutschland braucht, wie in vielen anderen Sparten, Jobs, um Geld zu verdienen, weil Buchstaben so schlecht bezahlt werden. (Es sei denn sie hat solvente Partner*in oder Erbe oder heißt Cornelia Funke.) Sie braucht also einen oder mehrere Brotjobs.



Meine Brotjobgalerie: Ich veranstalte Lesungen und Workshops für Kinder,

trete als Geschichtenerzählerin auf,

schreibe Artikel, Vorträge und Buchvorstellungen,

mache Fortbildungen/Unterricht für Pädagog*innen und Kinderbuchautor*innen rund um das Thema: Mehrsprachigkeit Poesie Kinderliteratur.


„Je gefragter ich für meine Arbeit werde, desto mehr Verwaltungsaufwand geht damit einher und desto weniger Zeit und Atem bleibt, um mich zu sammeln, zu schreiben“, schreibt Daniela Seel und spricht damit das Dilemma Zeit im Zusammenhang mit Brotjobs und Literatur an.


(In Brotjobs und Literatur. Verbrecher Verlag, auch alle anderen Zitate. Sehr empfehlenswert mit vielen tollen Texten!)

Zeit zum Schreiben ist tatsächlich bei mir „zeitweise“ genauso wenig da wie damals als ich noch festangestellte Lehrerin war. Zwar haben alle Jobs indirekt etwas mit meinen Büchern zu tun, nicht aber mit dem Schreiben an sich. Ganz im Gegenteil: Brotjobzeit ist keine Schreibzeit. Nicht einmal Nachdenkzeit oder Kopfschreibzeit. Geld verdienen entfernt vom Schreibtisch. Wenn ich schreiben will, muss ich auch nein zu Brotjobs sagen. Hilfreich ist dabei, dass ich sparsam sein kann, ich lebe etwa in einer alten Mietwohnung, ohne Auto Baum Grundstück Eigentum Ferienwohnung usw. Und deshalb wird’s auch im Rentenalter vermutlich für mich sehr eng, wenn nicht noch ein Wunder passiert. (Berufsrisiko trotz steigender Umsätze in der Branche.)

Aber mehr Brotjobs und ich würde gar nicht mehr schreiben.


(Immerhin 1: Ich mache diese Arbeiten, vor allem die mit Kindern, sehr sehr gern.)


(Immerhin 2: Durch die Besonderheiten meiner Lesungen werde ich immer wieder eingeladen und muss keine Klinken putzen. Ich muss eher lernen NEIN zu sagen. Und das muss ich mir leisten können.

Bewerbungen schreibe ich nur für Stipendien und Preise kriege ich auch ab und zu. Zuletzt den Preis der Jungen Literaturhäuser, der einige Lesungen zur Folge hatte.)






Vom Schreiben von hausgemachten Buchstaben Wörtern Ideen leben geht unter Umständen, wenn du dauernd auf die Verkäuflichkeit deiner Texte achtest und im rechten Moment das „rechte“ anbietest. (Was auch Glückssache ist.) Und auch dann ist das Gehalt nicht immer ausreichend. Und ich schreibe eh, was ich schreibe, und das gefällt oder es gefällt nicht.


„Ich gefalle, ich gefalle nicht. Ich gefalle, ich gefalle nicht. Ich pflücke die blütenblätter der blüte einzeln ab. Es ist wie ein zufallsprinzip. Gefallen und ungefallen, wenn ich vor der gatekeeper:in stehe.“ (Özlem Özgül Dündar in "Brotjobs und Literatur")

„Ich schreibe ja auch noch gute Bücher, aber ich will ja vom Schreiben leben“, entschuldigte sich einst eine Kollegin bei mir für ihre Ponybücherreihe auf dem Büchertisch bei einem Lesefest. „Ich kann mir nicht leisten nur „Orchideenbücher“ zu schreiben!“

Das fand ich irritierend interessant. Ich erfuhr damals 2 Dinge: Ich schreibe Orchideenbücher. Und ich leiste mir genau das. In gewisser Weise stimmt das. Ich leiste mir das Schreiben was ich schreibe durch Brotjobs.


„Schreiben ist unbedingt. Leben ist unbedingt. Solange es nicht um alles geht, soll es meine Sache nicht sein!“, schreibt Daniela Seel in dem Buch „Brotjobs und Literatur“.

Vielleicht trifft mich das wegen dieses Gedankens: Ich kann es mir nicht leisten, mich für meine Bücher entschuldigen zu müssen. Ich habe schon als Lehrerin so viele Sachen machen müssen, die ich nicht sinnvoll für Kinder fand. So viele Kompromisse machen müssen. Ich habe meine Verbeamtung nicht gekündigt, nur um weiterhin halbgare Sachen zu machen. Für die ich mich entschuldigen muss Außerdem:


„Wenn das Geld schon nicht stimmt, soll man sich den Luxus gönnen, etwas Neues auszuprobieren!“ Dincer Gücyeter ebenda.

„Ich gefalle, ich gefalle nicht. Ich gefalle, ich gefalle nicht. Ich pflücke die blütenblätter der blüte einzeln ab. Es ist wie ein zufallsprinzip. Gefallen und ungefallen, wenn ich vor der gatekeeper:in stehe“, schreibt die Dichterin Özlem Özgül Dündar und drückt damit aus, dass es vor allem die Gatekeeper*innen entscheiden, ob ich veröffentlichen kann respektive davon leben kann

Und in meinem Fall sagen viele Gatekeeper nein. Weil es "Erzählgesetze" für Kinder gibt. Nicht neue ungewöhnliche Narrative sind gefragt, sondern das Bekannte immer wieder zu variieren. Viele schnelle Pointen sind besser zu verkaufen, als langsame poetische Texte.


Weiße Held*innen (mit „bunten“ Nebenfiguren) sind leichter zu verkaufen als Held*innen of Color, vor allem, wenn diese Geschichten nichts mit Flucht/Migration/Rassismus zu tun haben; vielschichtige Texte werden als überfrachtet abgetan.


Ich meine es muss ein vielstimmiges breites Kinderbuchangebot geben. Aber einige Kollegen behaupten das Gegenteil: Kinder würden die besonderen Geschichten eh nicht mögen. Aber wer weiß schon was Kinder wirklich mögen in einer kapitalistisch gesteuerten BuchFILMwelt, in der die meisten der vermeintlich „besonderen Bücher“ an vielen Gatekeepern (nicht Kindern) scheitern?



(Außerdem: Auch möchte ich keine Diversity-Bücher schreiben, die sich nicht entscheiden können, ob sie Sachbuch oder erzählendes Buch sind. Spannende oder lustige Geschichten ohne belehrende Mission sind die Bücher, die Kinder dauerhaft ans Lesen fesseln. 
Nicht die im Geschichtenpelz auftretenden Erklärbücher, die mit einigen guten Vermittlungsabsichten geschrieben sind. Die geschrieben werden, weil Kindern irgendetwas beigebracht werden muss. Daran glaube ich nicht. Eine gute Geschichte bewegt. Reißt mit. Fesselt. Das geht leise und laut. Geht komplex. Aber mit einer belehrenden Haltung zu schreiben unterschätzt Kinder leider total. Darüber, nämlich über Kinderliteratur und Adultismus schreibe ich ein andermal.)

Weil ich Kindern mit meinen Büchern nichts beibringen will, und weil ich die gängigen Erzählgesetze der Kinderliteratur nicht befolge

, brauche ich Brotjobs. Und natürlich weil meine Wörter einfach nicht angemessen bezahlt werden. Allerdings ist es eine Krux: Je mehr Brotjobs, desto weniger Schreiben.







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