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"das wort ist ein geschichtenbüro" erik, 4

  • AutorenbildAndrea Karimé

Am Anfang war die Liebe zum Wort




Schreiben/Erzählen lernen durch Lauschen


Heute geht's um die Frage ob und wie du Schreiben lernen kannst. Im ersten Teil erzähle ich, wie ich es gelernt hab, im zweiten was so gängig behauptet wird, und wie zu viele Methoden das Schreiben sogar beeinträchtigen können.


1. Also wie habe ich ich eigentlich das Schreiben (von Kinderbüchern, Gedichten, Romanen) gelernt?

Am Anfang war eine Liebe. Zum Wort, zu Geschichten, zur Literatur, zur Poesie.



Das Sprechen öffnete mir Türen als Kind. Ich bemerkte die Zauberkraft des Worts als kleines Kind, wie sie meine Mutter "beeinflussen" konnte. Ich beschreibe die Entdeckung des "Sesam-öffne-Dich"- Wortschlüssel in diesem Text. Andrea_Karime_VL1_Woerter_und_Himmeloerter.pdf (ph-karlsruhe.de) Auch in meinem aktuellen Buch zu finden:





Meine Liebe zu Wörtern ist also ganz alt, aber nicht, weil ich in einem bildungsbürgerlichen Haushalt zwischen Buchregalen und Theaterbesuchen groß geworden wäre. (Dafür hatten wir kein Geld. ich wollte zum Beispiel gern Klavier lernen, aber leider nicht möglich. ich sag nur "ergänzende Sozialhilfe")

Ich hatte die Sprachen und Geschichten und Wörter meiner Mitmenschen.

Ich hab gelauscht. Schon als Kind.

Gedichte von Else Lasker-Schüler berühren mich bis heute und ihre Stimme öffnet mir Türen im Kopf. Ich folgte ihr auf Schritt und Tritt durch ihre Gedichte. Und ja, ich denke, von ihr und anderen hab ich viel gelernt. Durch lesen also.


Schreiben zu lernen, hat ganz viel mit Lesen und Lieben und Lauschen zu tun.

Als ich 2005 Nuri und der Geschichtenteppich geschrieben hatte, mein erstes Kinderbuch, hatte ich meine gesamte Ohrentasche voller Kinderstimmen, Kindersprachen und natürlich die Sprachen der vielen anderen, die ich gelesen/gehört hatte.


Ich schrieb ohne von Plots, Figurenentwicklung und Dramaturgie etwas zu wissen drauf los, die Stimme von Nuri im Kopf, die ihrer Tante Briefe aus dem Exil schreibt, jeden Tag.

Auch hatte ich vielleicht angelesene Dramaturgie im Kopf.


Das Buch wurde ein Erfolg, abgesehen davon, dass ich Deutschland nur Absagen bekam. Kaum in Österreich veröffentlicht, kam es auf 2007 die Shortlist zum Staatspreis.


Trotzdem hab auch ich viele Kurse gemacht, danach, Techniken und Verfahren kennengelernt. Die wenigsten sind mir in Erinnerung geblieben in meinem 20jährigen Schreibleben, die letzten zwanzig Jahre in denen ich das Schreiben ernster genommen habe.


Das wesentliche was ich an Kursen und Workshops mag, ist die Inspiration, der Austausch mit den anderen. Zuletzt war ich in einem Kurs bei Arne Rautenberg in Irsee, der mich sehr inspiriert hat. Ganz viel schöne Sachen sind da entstanden, auch vielleicht Wege zu Neuem.


Was mich aber definitiv vorangebracht hat und immer wieder voranbringt sind freie Lektor*innen und Testleser*innen. Das ist für mich immer wie eine Fortbildung. Etwa das Lektorat mit Uljana Wolf bei Planetenspatzen und das Lektorat mit Kerstin Kipker bei „Sterne im Kopf und ein unglaublicher Plan."







2. Schreiben lernen ist möglich, Techniken reichen aber nicht um gute Texte zu produzieren.


Kannst du schreiben lernen? Erstmal: Es gibt nicht DAS SCHREIBEN (von Kinderbüchern.) Eine Geschichte kann auf vielen unterschiedlichen Wegen und in 1001er Sprache erzählt werden. Erinnere: Es gibt Erzählstrategien. Erinnere: Es gibt verschiedene Arten des Lesens.


Für viele ist die Held(*innen)reise DIE magische Formel für Geschichten.  Held – Konflikt – Gegenspieler- Hindernisse- usw. Für andere das 3-Akt Modell. Für mich nicht. Ich spaziere gern in unterschiedlichen Tempi durch eine Geschichte. 

„Die Sprache kann man als Material begreifen, mit dem man seine Ideen formulieren kann, aber die Ideen selbst, den Atem eines Textes, den muss man schon selber finden.“ Patricia Duncker

Auf jeden Fall kannst du lernen, was andere meinen, was gute Geschichten sind.  

Aber auch hier gilt: Nicht das eine Handwerk. Es gibt Kniffe und Tricks, Methoden und Techniken. Eben wie beim Schreiner*innenhandwerk.


Blöd ist nur, dass das Handwerk nie reicht, um etwas Herzbewegendes zu gestalten.

Und in Zeiten von Chat GPT ist es skurril, den Wert des Handwerks für ein originelles Kinderbuch herauszustellen und überzubewerten. Die App schreibt dir ja die Texte genauso, wie es die Gesetze des Handwerks fordern. Zumindest die Gesetze die die App kennt. Und dazu gehört die Heldenreise.



Sich klammern an Techniken führt nicht selten zu einem Text mit „Schreiben-durch-Zahlen“ Oberfläche. Zu stereotypen, vorhersehbaren Ergebnissen.


Deshalb muss das Gespür fürs Erzählen und den eigenen Weg mit der Sprache eingesetzt werden um einen handwerklich perfekten Text Leben einzuhauchen. Atem, wie Patricia Duncker meint. Und oft führt gerade der Verzicht von Perfektion und allzu starrem „Storytelling“ zu originellen lebendigen Texten.


Und eine Fortbildung kann auch genau das Gegenteil bewirken.


Anekdote: Seinerzeit besuchte ich eine Textwerkstatt mit Burghard Spinnen in Wolfenbüttel. Interessant war, dass er meinen Text abqualifizierte, ohne zu wissen, dass er schon vom Picus Verlag angenommen wurde. Es war Kaugummi und Verflixungen. Klar hab ich ein paar wertvolle Hinweise auch angenommen, aber das grundsätzliche, was er mir einreden wollte, war, Mystik und Realität nicht vermischen zu dürfen. Der große Burghard Spinnen fand das völlig inakzeptabel. Österreich war anderer Meinung. Kurze Zeit später landete auch Kaugummi auf der Shortlist zum Staatspreis.


So verhält sich mit Schreib-Gesetzen: Nimm sie zur Kenntnis, probiere sie aus und stelle sie dann gern in Frage. Schau mal hinter die Kulissen, wer sagt denn was gutes Schreiben ist? Es hat eben nicht eine kleine Bubble die Deutungshoheit, auch wenn sie dies immer wieder laut herausschreit. 
Radikal gesprochen:
"Ich frage mich häufig, ob mit alten Worten tatsächlich neue Welten geschaffen werden können, ob nicht-europäische Logiken in europäische Grammatiken passen können." Sinthujan Varatharaja "an alle orte die hinter uns liegen" hanserblau 2023 
Und ich bin ja "Doppelmoppel" (Celina Bostic) nur zur Hälfte mit europäischen Logiken aufgewachsen.

Es lebe der Blogclub namens Klockblubb mit Gala Hummel.

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