tagebuchstaben 14
Letzte Woche: Besuch von Nein und Weinen und Morgenschimmern. Begleitet von Yael Deckelbaum, Hilde Domin, Gertrude Stein und vielen Kinderkräften.
Dienstag, der 19.3.2024 (Mond=Ay (Türkisch))
..nothing could keep Edith from seeing the sky, and quite right too. Why not. If not. Why not. (Gertrude Stein)
Bin nicht Edith und doch, was wäre wenn der Apfel ein Ei wäre? Oder gar ein AY? Dann würde der Morgen auf mein Augenei drücken, oder noch besser Augenmond. Und nichts würde gepellt. Der Himmel wäre und ist dunkelblau und voller Zwitscherlinge. Und niemand nähme und nimmt mir den Koffer ab. Den muss ich nämlich, ungeachtet der Mondlage, drei Stockwerke runterschleppen. Gefüllt mit Lesungsdevotionalien. Igitt, ein Wort.
Mittwoch, der 20.3.2024 (Schmetterling)
Lesereisenbuchstaben. "Ist das extra, dass dein Buch wie dein Leben ist?", fragte M, 9 nach der Lesung in Essen. Auf Nachfragen erfahre ich, dass er fragt, ob ich wie das Kalimlarium sei, aus dem Buch Kalim Baba und die Wörterlampe, in dem "alle Sprachen der Welt stecken, auch die die es noch nicht gibt". Immer wieder unterstellen mir die Kinder die Superkraft Multisprachlichkeit. Ins Gästebuch schreiben sie Schmetterlingswörter. Farrascha, Kelebek, Borboleta.
Donnerstag, der 21.3.24 (kein und nein)
„Ich setzte den Fuß in die Luft/ und sie trug/“ (Domin)
Leider Leipzig kein. Trialog kein, nein Abend mit den Literaturhäusern, Treffen kein mit Stolze Augen Books oder Irem Kurt. Oder oder. Bin erkältet muss mich ausruhen.
Und nein, ich weiß, meine „Planetenspatzen“ haben es nicht in die neuen „renommierten“ Kinderlyrikempfehlungen geschafft. (Ich hab s durch zwei empörte Nachrichten erfahren. Dank dafür!) Wundert's mich? Nö. (Ich gratuliere allen, die reingekommen sind.)
„Ich setzte den Fuß in die Luft/ und sie trug/“. Daran denke ich komischerweise. Und dass ein Junge neunjähriger Junge in mein Gästebuch schrieb: "Gib nicht auf, egal was jemand sagt." Und: "Es war schön, mach weiter mit deinen schönen Büchern!"
Ein kleines Herz kann doch die ganze Welt umfangen. (Jüdisches Sprichwort.
MATSCHKAKATZE
matschkakatze
katzenfratzen
klatschkakatze
patschkapatschen
matschkamatsche
katzenklatschen
watschkawatsche
(am schluss gegenseitig sanft auf die wangen watschen) matschka = katze (kroatisch, bosnisch und weitere sprachen, mačka)
Freitag, der 22.3.24 (Vater)
Ich denke an meinen Vater. Und daran, dass ich heute vor einer Woche habe die Lesung von Mely Kiyak und Daniel Schreiber besucht hab. Beide schrieben Bücher über den Tod ihrer Väter. Mely Kiyak sagt: Ich halte vom Sterben sehr viel. Ich weiß nicht, was das bedeutet.
Ich stelle mir vor, dass ich einen apfelgrünen Papagei in der Hand halte und sein Herz in der makellos gefiederten Brust spüre.
„Ein Geist aus Papa und dem Ei“, schrieb ich in Planetenspatzen.
Samstag, der 23.3.24 (Weinen)
„Ich bin sehr nah am Wasser gebaut. Und das hat mich in den letzten 5 Monaten gerettet. Dass ich so viel geweint habe.“
Ofer Waldmann sagt das im Interview mit Shai Hoffmann zur Lage in Israel, und es ist ein Lehrstück. Ich denke an den Aufkleber von Jasmina El Bouamraoui „cry come more“. Es gibt viel zu weinen. Um tote Kinder. Um den Verlust der Werte. Menschlichkeit. Gerechtigkeit. Frieden. Das scheinen Begriffe zu sein, die der Mehrheit der Menschen nicht mehr wichtig sind. Weinen weicht auf, und bringt uns dem Herz und diesen Werten näher.
Sonntag, der 24.3.24 (Meer)
Sonnenlicht schleppt sich durch Wolkenmorgen. Generalbass der Taube. Vogelpärchenspiele auf dem Dach gegenüber. Ein tanzender Teenager mit Handtuchturban vor dem Fenster gegenüber. Ein Tropfen Licht in einem Meer von Wahnsinn.
(Yael Deckelbaum) https://folker.world/horizonte/kolumne-3/
Montag, der 25.3.24 (Montagsgedicht Preview)
schreibst du ein Gedicht
auf einer Frühlingswiese
summt es
schreibst du ein Gedicht
auf einem Kuschelkissen
schnurrt es
schreist du ein Gedicht
hält es sich (vielleicht)
die Ohren zu ...
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